All jene, die schon mal mit Chinesen zu tun hatten, kennen dieses Gefühl: man unterhält sich mit seinem chinesischen Gesprächspartner, die Stimmung ist gut, die einzelnen Punkte auf dem Protokoll werden planmäßig abgearbeitet, auf beiden Seiten scheint Konsens vorzuherrschen. Dennoch hat man am Ende des Gesprächs dieses komische Bauchgefühl, dass doch nicht alles so harmonisch ist wie es scheint. Hat der chinesische Gesprächspartner alles so verstanden, wie ich es vermitteln wollte? Ist er wirklich mit meinem Vorschlag einverstanden? Wieso kann er nicht direkter sein und mir seine Anforderungen einfach mitteilen?
Die chinesische Rhetorik
In China gilt man als guter Rhetoriker, wenn man die Fähigkeit besitzt, Harmonie zwischen allen Beteiligten zu erzielen. Kunst des Kompromisses sowie die Anpassung gehören ebenso zu den Fähigkeiten, die ein guter Rhetoriker mit sich bringen soll. Dieser Ansatz steht im Gegensatz zur westlichen Rhetorik, die auf Individualität und argumentative Überzeugungstaktiken großen Wert legt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass ein Chinese seine Wünsche und Anforderungen nie direkt ausspricht, da er in erster Linie nach einem harmonischen Miteinander strebt und nicht seine eigenen Wünsche durchsetzen will. Er erwartet sich jedoch, dass sein Gegenüber seinen angedeuteten Wunsch erkennt und diesem nachkommt. Diese Aufgabe stellt nicht nur für Europäer eine fast unüberwindbare Barriere dar, sondern auch für manch Chinesen.
Praxisbeispiel „Der Besucher“
Anhand eines einfachen, aber typischen Beispiels wenn ein Chinese seinen Freund zuhause besucht, sieht man, dass diese indirekte Art zu kommunizieren alltäglich ist:
A: Komm herein! Setz dich!
B kommt rein und bleibt stehen
A: Setz dich doch! Willst du was trinken?
B: Nein ich brauche nichts!
A läuft zum Wasserspender und kommt mit einem Grüntee zurück
B bedankt sich und nimmt den Tee entgegen
B: Ich habe dir eine Kleinigkeit mitgenommen
A: Das ist doch nicht nötig! Nimm es wieder mit! Du brauchst mir doch nichts kaufen! Soviel Geld ausgeben, das wäre doch wirklich nicht notwendig gewesen!
A will das Geschenk partout nicht nehmen, B lässt auch nicht locker, A weigert sich noch ein wenig, nimmt es dann doch an und stellt es gleich weg ohne länger drauf zu schauen
Es wäre falsch gewesen, wenn der Gastgeber keinen Tee gemacht hätte; ebenso kann man nicht mit leeren Händen auf Besuch kommen. Beides wird vorausgesetzt und ist ein informeller Bestandteil des zwischenmenschlichen Umgangs.
Tipps im Umgang mit Chinesen
Höfliches Nachfragen. Diesen Rat lege ich meinen Kunden immer wieder ans Herz: habt keine falsche Scheu und fragt einfach nach. Wenn ihr das Gefühl habt, euer chinesischer Gesprächspartner hat euch nicht verstanden; oder wenn ihr selbst nicht verstanden habt, was euer Gegenüber euch eigentlich mitteilen will, dann fragt einfach nach! Chinesen sind in ihrem Kommunikationsmuster so verfangen, dass es ihnen selbst nicht mehr auffällt wenn sie wieder um den heißen Brei reden. Sie sind mit dieser indirekten Art der Kommunikation groß geworden und können kaum noch aus ihrer Haut. Dennoch kennen sie die Vorteile einer direkten Kommunikation und schätzen diese auch. Ich habe oft von chinesischen Kollegen gehört: „Ich wünschte ich könnte auch so direkt sein wie die Europäer!“
Chinesischer Berater. Das ist der einfachste und effektivste Weg um das Maximum aus einer Geschäftsverhandlung mit Chinesen herauszuholen. Der chinesische Berater kann einem das Gespräch übersetzen, nicht nur die fachlichen Aspekte, sondern vor allem die versteckten Botschaften. So erspart man sich als Europäer das Raten und Rätseln was und wie der nächste Schritt wohl ausschauen soll, um einen erfolgreichen Geschäftsabschluss herbeiführen zu können. Der Berater kann einem auch informelle Informationen beschaffen, zu denen ein Europäer kaum Zugang finden kann.
Last but not least, einfach ehrlich sein und geduldig bleiben, damit lassen sich auch die Chinesen knacken!